Ein ehemaliger Vorstandskollege nannte die großen CSDs wie Köln und Berlin immer einen Leuchtturm, der in der Dunkelheit der Homophobie und des Hasses das schützende Ufer sichtbar werden lassen sollte.
Ich selbst habe in den letzten Jahren aber festgestellt, dass gerade die kleinen CSDs durchaus nicht unwichtig sind.
Sie sind sogar der Motor der Weiterentwicklung der LGBTT*IQ-Bewegung. Dort entstehen ganz neue Ansätze von Equality und Miteinander.
Dort wird das rettende Ufer immer breiter und die Vernetzung und Unterstützung unterschiedlichster Gruppierungen immer vielfältiger.
Einer dieser wunderbaren CSDs ist der in Freiburg. Als dieser im Jahr 2015 veröffentlichte, das er den CSD vegan ausrichten will, sahen manche darin den Untergang der Homo-Fleischesser-Kultur.
Siehe dazu den Beitrag auf Queer.de:
Wie es zu dieser Entscheidung kam und wie es weitergeht mit dem CSD Freiburg, erfahrt ihr in dem Interview mit dem Orga-Plenum.
Wie kam es zu der Entscheidung im Jahr 2015 den ersten veganen CSD zu veranstalten?
Naja, also im Jahr 2014 gab es nach 12 Jahren zum ersten Mal wieder einen CSD in Freiburg mit Politparade und Kundgebung. Und da wir diesen „neuen CSD“ im Team quasi komplett neu aus dem Boden gestampft haben, hatten wir somit auch die Möglichkeit den CSD in Freiburg so zu gestalten wie wir das für richtig und notwendig hielten. In unserem Positionspapier hatten wir uns explizit auch auf die politischen Ansätze des trans*genialen Berliner CSD bezogen und wollten in Freiburg einen unkommerziellen, intersektionalen und solidarischen CSD auf die Beine stellen. Das bedeutete, dass wir über die klassischen „schwulen CIS-Themen“ hinausgehen und den Blick über den Tellerrand hinaus ausweiten wollten. Wir wollten uns mit der Diversität der gesamten LSBTIQA*-Szene befassen. Inter*- und Trans*themen sind für uns genauso wichtig wie die Klassiker der Homoszene wie beispielsweise die Ehe für alle. Zudem haben wir Themen in unseren Fokus gerückt wie z.B. Rassismus, Migration, Flüchtlingspolitik (Queer-Refugees) und den weltweit erstarkenden Nationalismus und Rechtsextremismus. Und wir haben uns bereits 2014 für die Belange der Tierrechts- bzw. Tierbefreiungsbewegung geöffnet bzw. diese in unsere Argumentation miteinbezogen. Die Frage, die dann selbstverständlich direkt an uns herangetragen wurde, war, was diese beiden Themen denn überhaupt miteinander zu tun hätten. Naja, um jetzt nicht in seitenlange Abhandlungen zu verfallen und um das hier in zwei Sätzen zusammenzufassen: Die Entstehung der Tierbefreiungsbewegung ist eng mit der feministischen Bewegung verbunden und die Entstehung der queeren Bewegung hat viele Que(e)rverbindungen wiederum zur Tierrechtbewegung und deren Philosophie (z.B. die Dekonstruktion von Dualismen und Herrschaftsstrukturen und Definitionsmacht). Ein veganer CSD in Freiburg war für uns somit eine Auseinandersetzung mit den Wurzeln der LSBTIQA*- und der feministischen Bewegung. Zu den inhaltlichen Überschneidungen dieser zwei sozialen Bewegungen kam für uns der Aspekt, dass wir mit einem veganen CSD auch ein Statement über die Belange der queeren Community hinaus setzen wollten. „Vegan“ ist eine Positionierung, die sich positiv auf die Umwelt auswirkt; auf Ökologie, Sozial- und Gesundheitssysteme, auf Menschenrechte und ganz konkret auf das Leben nichtmenschlicher Tiere. Wir wollten mit einem veganen CSD quasi aufzeigen, dass unsere politischen Anliegen vielschichtig und miteinander verbunden sind. Zudem verwirklicht ein veganes Catering, dass möglichst wenig Menschen davon ausgeschlossen werden; schließlich können auch Fleischesser*innen vegan essen, was umgekehrt aus diversen Gründen nicht funktioniert.
Waren alle im Vorstand damit einverstanden?
Wir sind beim Freiburger CSD basisdemokratisch organisiert, das heißt, dass wir unsere Entscheidungen im Konsens treffen und diese nicht über einen Vorstand bestimmt werden. Die Entscheidung den Freiburger CSD vegan auszurichten war eine Entscheidung des Orga-Plenums.
Es gab ja einen regelrechten Shitstorm gegen diese Entscheidung. Hattet ihr damit gerechnet und wie war das Feedback direkt auf dem CSD?
Die Folge auf unsere Publizierung den Freiburger CSD 2015 vegan auszurichten war tatsächlich ein regelrechter Shitstorm. Damit hatten wir in dieser Form nicht gerechnet, zumal unser erster CSD 2014 ja bereits bis auf wenige vegetarische Ausnahmen auch vegan war und darauf, außer von Tierrechtsgruppen, überhaupt keine Reaktion kam. Dass wir 2015 zu ausschließlich vegan übergegangen sind und dies auch so auf unserem Blog und anderen sozialen Netzwerken so veröffentlicht hatten, führte wohl dazu, dass vor allem aus einem politischen und sozialen Spektrum Kritik gegen unsere vegane Position laut wurde, welches sich ohnehin mit unserer alternativen Ausrichtung schwer tat. Ein gefundenes (veganes) Fressen sozusagen. Nach dem Shitstorm der ersten Tage nach unserem „Vegan-Outing“ mischten sich dann aber unter die Tausenden von Kommentaren sehr viele, die unsere vegane Position ganz klar begrüßten. Auf dem CSD selbst gab es dann fast ausschließlich Lob für das Catering.
In den letzten zwei Jahren hat sich zu diesem Thema schon sehr viel bewegt. Das Problem der Unterdrückung wird immer öfter nun auch auf Non-Humans ausgeweitet. Seht ihr in der Vernetzung mit anderen politischen Gruppen eine Chance, um generell besser gegen u.a. Homophobie, Transphobie, Sexismus, Speziesismus und Rassismus kämpfen zu können?
Wie bereits in Frage 1 erwähnt sehen wir unsere Ausrichtung als intersektional und fühlen uns solidarisch mit anderen sozialen emanzipatorischen Bewegungen verbunden. Unterdrückungsmechanismen sind für uns nicht losgelöst voneinander zu betrachten.
Habt ihr Tipps, wo man in Freiburg lecker vegan essen gehen kann?
Entgegen des grünalternativen Images der Stadt, ist es in Freiburg nach wie vor sehr schwer lecker vegan essen zu gehen. Vor allem ist es schwierig überhaupt Restaurants zu finden, die ausschließlich vegan betrieben werden. Eine dieser Ausnahmen ist zum Beispiel das vegane Restaurant El Haso. Ansonsten muss mensch leider immer noch damit leben, dass in vielen Läden, in denen es veganes Essen gibt, auch tote Tiere bzw. Tierprodukte angeboten werden. Das Catering unseres CSD übernimmt regelmäßig Amara. Bei Amara gibt es vom Döner bis zur Pizza für so gut wie jedes „Fleischgericht“ eine vegane Alternative. Hier entscheidet also auch die Nachfrage.
Wird sieht die Zukunft des CSD Freiburg aus?
Wir werden trotz diverser Anfeindungen vonseiten der Presse, der Stadtverwaltung, Polizeibehörden und Einzelner an unserem alternativen Konzept und der linken, herrschaftskritischen Ausrichtung festhalten. Dazu gehören eben nicht nur die klassischen LSBTIQA*-Themen, sondern auch politischer Veganismus, Antisexismus bzw. Feminismus, Antirassismus und Antinationalismus, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und unser Erfolg gibt uns Recht. Der Freiburger CSD ist eine Erfolgsgeschichte und wächst von Jahr zu Jahr. So haben wir es geschafft im Jahr 2017 mit etwa 6000-8000 Teilnehmenden auf der Politparade eine der größten Mitmach-CSDs in Deutschland zu werden. Diesen Trend wollen wir auch in Zukunft fortsetzen.
Fotocredit: CSD Freiburg